Umbau von vier Reihenhäusern in Winterthur von Elias Leimbacher

Caspar Schärer, Ausgabe 5/2012

Manche Dachräume eignen sich auf Anhieb für einen Ausbau, ja scheinen geradezu auf ihn zu warten – nicht so aber jener des Winterthurer Architekten Elias Leimbacher, bei dem sechzig Zenrimeter fehlten, um im Firstbereich des Dachgeschosses stehen zu können. Sechzig Zentimeter oder die Länge eines A2-Blattes in die Senkrechte gehalten fehlten, und schon würden ein paar Dutzend Quadratmeter mehr Fläche nutzbar. Das Anheben des Firstes betrifft jedoch im vorliegenden Fall eine grössere Operation: Leimbachers Haus, Baujahr 1951, steht nicht frei, sondern ist Teil einer Viererkette, eines jener in Winterthur weit verbreiteten Reihenhäuser. Die Häuserzeile folgt in der Höhenentwicklung dem ansteigenden Terrain und ist gleichfalls in der Horizontalen gestaffelt. Dadurch unterscheidet sie sich in einem wichtigen Punkt vom typischen Winterthurer Reihenhaus, das meist in der Ebene steht. Leimbacher fasst die Reihe von Anfang an als Einheit auf- einerseits aus einleuchtenden städtebaulichen Gründen, andererseits wäre die alleinige Aufstockung seines Hausteils kaum bewilligt worden. Die fehlenden sechzig Zentimeter waren also Anlass, den Betrachtungsperimeter auszudehnen. Dies zum Vorteil des Ensembles, soviel kann vorausgeschickt werden. Allzu oft legt ein Besitzer eines Reihenhaus-«Schnitzes» dann Hand an, wenn es ihm gerade opportun erscheint und das nötige Geld zusammengespart ist. Die Ergebnisse sehen dementsprechend aus. In einer Stadt wie Winterthur, die zu grossen Teilen auf einer kleinteiligen Besitzerstruktur mit Reihenhäusern (und somit auch auf deren permanenter, individueller Transformation) aufbaut, fallt deshalb eine einheitlich umgebaute Zeile wie jene in Wülflingen sofort auf.


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Ansicht von Westen: Lukarnen auf dem Pultdach
Fotos: Arnold Kohler


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Gartenseite: Die Lukarnen ducken sich unter das Dach
Fotos: Arnold Kohler


Feine Differenzen


Elias Leimbacher kann seine Nachbarn von der Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens überzeugen. Den Ausschlag dazu gibt wohl die Möglichkeit, gleichzeitig zur energetischen Sanierung von Dach und Wand ein zusätzliches nutzbares Geschoss zu erhalten. Es gelingt ihm, ihr Vertrauen für einen doch gewagten Umbau zu gewinnen, der deutlich über eine simple Nachisolation hinausgeht. Erforderlich ist zunächst ein gründliches Studium des Baurechts: Da die Parzellen der vier Häuser nicht von gleichem Ausmass sind - die äusseren beiden Grundstücke sind grösser und deshalb auch deren Ausnützungsreserven -, werden rund 100 Kubikmeter potenziell noch realisierbarer Baumasse von aussen an die «Innenhäuser» transferiert. Allein dieses Vertragswerk verdient Anerkennung; im Gestrüpp gegenseitiger Abhängigkeiten, Servitute und sonstiger immobiler Lasten schafft es die Grundlage für ein gemeinsames Projekt, das die starre Beschränkung auf die eigene Parzelle für einmal überwindet. Aus baulicher Sicht tangiert die Aufstockung die Geometrie des Daches und die Abwicklung der komplexen, über die ganze Häuserzeile miteinander verbundenen schrägen Flächen. Ausserdem verändert die neue Dämmschicht die Volumen der relativ fein gegliederten, aneinander gebauten Häuser - ein Umstand, der so selbstverständlich wie bekannt ist und trotzdem erschreckend oft ignoriert wird. Der Architekt hingegen entwirft von aussen auf das alte Steingewände aufgesetzte Fenstereinfassungen aus Aluminium mit einer sich ausweitenden Leibung. In der resultierenden oberen Nische kann bei Bedarf ein Sonnenschurz installiert werden, ansonsten verhindert die gestufte, ausgeweitete Leibung vor allem, dass die Fenster in der dicker und höher gewordenen Fassade versinken. Dieselbe Präzision und Aufmerksamkeit gegenüber kleinen Details zieht sich durch den ganzen Umbau, wirkt aber natürlich bei der Umgestaltung des schrägen Dachs am Eindrücklichsten. Augenfällig sind zunächst die schlanken, wechselseitig auf der Strassen- und der Gartenseite hoch aufschiessenden Lukarnen. Sie sind offensichtlich als neues Element ausgezeichnet; wie sehr sie jedoch aus dem Bestand wachsen, zeigt sich beim genaueren Hinsehen. Subtil wird zwischen den beiden Ausrichtungen differenziert und mit den Lukarnen und den Dachrändern gearbeitet, um diesen Unterschied zu akzentuieren. Von der westseitigen Strasse aus sind vier Gauben sichtbar, die wie auf Pultdächer aufgesetzt wirken. Sie sind mit hellem Wellblech verkleidet und ihr Dachrand ist nur minimal ausgeprägt - man könnte sie als «modern» bezeichnen. Ganz anders die Lukarnen auf der Gartenseite im Osten, die von einem kräftigen und überkragenden Dachrand gezeichnet sind und sich somit klar als integrale Bestandteile des Daches einordnen lassen.
 

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Sesselzimmer im Dachgeschoss
Fotos: Arnold Kohler


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Eingangshalle im Erdgeschoss
Fotos: Arnold Kohler


Millimeterarbeit


Dass die beiden silhouettenbildenden Zinken des Dachs auch im Inneren mit interessanten Räumen korrespondieren, erstaunt nicht weiter. Wie bei allen bisher beschriebenen Arbeiten des Umbaus ist der Architekt auch beim Innenausbau seiner eigenen Einheit mit grosser Akribie vorgegangen. Er schätzt an dem Haus, dass «alles daran stimmt», dass es zwar klein sei, aber durchaus grosszügig. Nicht grosszügig im Sinne von grossspurigen und oft zu gross geratenen Räumen, sondern von einfach gut gemachten Raumproportionen. Nirgends drängt sich die Architektur in den Vordergrund. Diese Konfiguration schätzt Leimbacher, und hat sie somit auch nicht geändert. Im Erdgeschoss baut er eine neue Küche ein und frischt die Oberflächen auf. Die gesamte Haustechnik muss ersetzt werden, denn auch in diesem Bereich hat sich im Verlaufe der sechzig Jahre nichts getan. Von der bescheidenen, aber ausreichend grossen Eingangshalle führt die Treppe in das Obergeschoss, das ebenfalls kaum verändert wird. Für die Treppe hinauf in das neu erschlossene Dachgeschoss war dann im Grundriss und im Schnitt Millimeterarbeit erforderlich. Neben der präzisen Einpassung einer neuen Dusche hinter der Treppe staunt man über den verbliebenen Luftraum, der vom EG bis unter das Dach reicht. Oben gelangt man direkt in einen schmalen Raum, der so breit ist wie die Lukarne und der sich steil bis auf eine Höhe von 3.80 Meter aufspannt - eine erstaunliche Inszenierung von Weite und Raum in diesem kleinen Haus. Der zweite Lukarnen-Raum schliesst mit wechselnder Orientierung gleich unmittelbar an, darin das Badezimmer: direkt unter dem Fenster, dort, wo der Raum am höchsten ist, befindet sich die Badewanne. Die Raumfolge endet im Schlafzimmer, einer intimen Kammer unter dem Dach, in der man sich sofort geborgen fühlt. Aus den sechzig Zentimetern mehr für das Dachgeschoss hat Elias Leimbacher vermutlich das Maximum für die vier Häuser gewonnen. Das Dachgeschoss ist nicht einfach nur nutzbar gemacht, es gab den Anstoss für ein neues, bemerkenswertes räumliches Ensemble. Der bestehende, klug austarierte Grundriss hat eine passende Erweiterung erfahren. Und indem die Nachbarn in den Umbau mit einbezogen wurden, konnte die Idee auf eine kleine städtebauliche Einheit, zum Vorteil aller, ausgedehnt werden.